Beseitigung einer vom fremden Grundstück kommenden Abwasserleitung
(OLG Karlsruhe, Urteil vom 06.03.2025, Az. 12 U 130/24)
Sofern fremde Ver- bzw. Entsorgungsleitungen über das eigene Grundstück verlaufen, hat der Grundstückseigentümer grundsätzlich gemäß § 1004 BGB Anspruch auf Beseitigung derselben. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Nachbar kein im Grundbuch gesichertes Leitungsrecht (Grunddienstbarkeit) hat oder sonst eine gesetzliche Duldungspflicht besteht.
Als Leitungsrecht bezeichnet man das Recht, auf einem (fremden) Grundstück eine Leitung zu errichten, zu nutzen und zu unterhalten. Teilweise werden Leitungsrechte für Versorgungsunternehmen bzw. Unternehmen für Telekommunikation gesetzlich geregelt. Zudem haben die Nachbarrechte der Länder Duldungspflichten normiert, auf welche man sich gegebenenfalls berufen kann, für welche für gewöhnlich jedoch dann auch eine Entschädigung zu zahlen ist.
In Rheinland-Pfalz (§ 26 LNRG) besteht beispielsweise eine Duldungsverpflichtung für Wasserversorgungs- oder Abwasserleitungen zu einem Nachbargrundstück, wenn der Anschluss an das Wasserversorgungs- oder Entwässerungsnetz anders nicht zweckmäßig oder nur mit unverhältnismäßig hohen Kosten durchgeführt werden kann und die damit verbundenen Beeinträchtigungen für den Nachbarn nicht erheblich sind.
Liegen diese (engen) Voraussetzungen jedoch nicht vor und ist das Leitungsnetz nicht im Grundbuch durch eine Grunddienstbarkeit gesichert, besteht grundsätzlich der Anspruch auf Beseitigung der „fremden“ Leitungen.
In dem vom OLG Karlsruhe zu entscheidenden Fall begehrte der Kläger die Unterlassung der Einleitung des Brauchwassers und Oberflächenwassers vom Nachbargrundstück über sein Grundstück in dessen Hauptentwässerungsleitung sowie den Rückbau der Leitung. Der Kläger bekam recht.
Ursprünglich handele es sich bei den beiden benachbarten Grundstücken bis 1981 um ein Gesamtgrundstück, welches von den Eltern des Klägers bzw. Großeltern des Beklagten geteilt und an die Nachfahren übertragen wurden. Seit dem Jahr 1981 wurde das Grundstück des Beklagten über das Grundstück des Klägers entwässert. Erst im Jahre 2023 erfuhr der Kläger durch einen Wasserschaden in Folge Rückstaus an der Abwasserleitung von dieser Entwässerungssituation.
Eine Grunddienstbarkeit, welche dinglich ein Leitungsrecht hätte sichern können, gab es im Grundbuch nicht.
Das Gericht sah im Anschluss der Abwasserleitung an den Hauptentwässerungskanal des Klägers eine Beeinträchtigung seines Eigentums. Die landesrechtlichen Voraussetzungen für eine Duldungspflicht waren nicht gegeben, da die Schaffung einer direkten Abwasserableitung an das öffentliche Netz ohne Inanspruchnahme des Nachbargrundstücks keine wesentlich höhere Belastung darstelle als für andere Grundstücke in der Straße.
Weder das Gebot der nachbarrechtlichen Rücksichtnahme, noch die Abwassersatzung der Gemeinde halfen dem Beklagten weiter. Der Anspruch auf Beseitigung wurde auch nicht als verjährt angesehen. Zwar unterliege der Beseitigungsanspruch nach § 1004 BGB grundsätzlich der regelmäßigen Verjährung, doch gebot die Besonderheit des Falls eine Verjährung nicht anzunehmen.
Im Übrigen ist umstritten, ob nicht selbst nach Ablauf der Verjährungsfrist wegen der Fortführung der Beeinträchtigung zumindest ein Unterlassungsanspruch unverjährt besteht. Dann hätte der Kläger gegebenenfalls auf seine eigenen Kosten die Beseitigung veranlassen müssen. Die Frage musste das OLG im besagten Fall jedoch nicht abschließend entscheiden.
Im Ergebnis zeigt diese Entscheidung einmal mehr, dass die Führung von Leitungen über fremde Grundstücke möglichst immer mit einer Grunddienstbarkeit abgesichert werden sollte, da auch noch Jahre später Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche des Nachbarn bestehen können.
Dr. Göbel
Rechtsanwalt und Fachanwalt