Urlaubsverzichtsvereinbarung ist unwirksam
(LAG Köln Urteil vom 11. April 2024 – 7 Sa 516/23)
Das Landesarbeitsgericht Köln hatte sich in einer sehr aktuellen Entscheidung damit zu befassen, ob der Anspruch auf Urlaub oder Urlaubsabgeltung während des Arbeitsverhältnisses durch eine rechtsgeschäftliche Vereinbarung zwischen den Arbeitsvertragsparteien ausgeschlossen oder beschränkt werden kann. Dies insbesondere im Hinblick auf ein bevorstehendes Ende des Arbeitsverhältnisses mit dem Abschluss der einschränkenden Vereinbarung.
Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Der seit 2019 bei der Beklagten als Betriebsleiter beschäftigte Kläger hatte arbeitsvertraglich 30 Urlaubstage pro Jahr zur Verfügung. Anfang des Jahres 2023 kam es zu einem Rechtsstreit zwischen den Parteien, in dessen Verlauf diese übereinkamen, dass eine einvernehmliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses erstrebenswert ist. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Kläger den Urlaub für das Jahr 2023 noch nicht angetreten, da er durchgängig arbeitsunfähig erkrankt war.
Im Rahmen eines Vergleichsentwurfes sollte vereinbart werden, dass die Urlaubsansprüche des Klägers in natura gewährt worden seien. Der anwaltlich vertretene Kläger teilte seine Bedenken zu dieser Vorgehensweise ausdrücklich mit. Gleichwohl wurde das Zustandekommen des Vergleichs im Beschlusswege gerichtlich festgestellt.
Bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses konnte der Kläger aufgrund fortbestehender Arbeitsunfähigkeit seinen Urlaub auch nicht mehr in natura nehmen. Folglich machte er gegenüber der Beklagten Urlaubsabgeltung geltend. Er war der Ansicht, auf den gesetzlichen Mindesturlaubsanspruch als unabdingbaren Anspruch nicht wirksam verzichten zu können, sodass ihm der Mindesturlaub im Umfang von sieben Tagen für das Jahr 2023 abzugelten sei. Die Beklagte hielt dagegen, dass der Kläger auf seine Urlaubsansprüche gemäß Vergleich verzichtet habe.
Das erstinstanzlich zuständige Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die durch die Beklagte eingelegte Berufung nunmehr zurückgewiesen. Die Revision wurde allerdings zugelassen, das Verfahren ist derzeit beim Bundesarbeitsgericht zum Az. 9 AZR 104/24 anhängig. Eine Entscheidung steht aus.
Zu den Gründen führt das Landesarbeitsgericht aus, dass der Urlaubsanspruch des Klägers für das Jahr 2023 nicht durch Erfüllung untergegangen sei. Es sei unstreitig, dass der Kläger den Urlaub nicht in natura genommen habe. Ferner sei der Urlaubsanspruch auch nicht durch den Prozessvergleich erloschen. Denn darin hatten die Parteien zwar festgehalten, dass die Urlaubsansprüche des Klägers in natura gewährt worden seien. Das Gericht ist der Auffassung, dass diese Vereinbarung den Urlaubsanspruch des Klägers auch nicht durch einen Tatsachenvergleich im Sinne des § 779 BGB zum Erlöschen gebracht hat. Denn ein sogenannter Tatsachenvergleich setzt voraus, dass eine bestehende Ungewissheit über die tatsächlichen Voraussetzungen eines Anspruchs durch gegenseitiges Nachgeben ausgeräumt werden soll. Zwischen den die Vereinbarung schließenden Parteien bestand jedoch zum Zeitpunkt des Abschlusses des Vergleiches kein Streit über die Anzahl der wegen der anhaltenden Arbeitsunfähigkeit des Klägers im Jahr 2023 noch nicht genommenen Urlaubstage. Insofern lag in der gerichtlichen Vereinbarung kein zulässiger Tatsachenvergleich.
Ebenso wenig hat die Vereinbarung den gesetzlichen Urlaubsanspruch für das Kalenderjahr 2023 durch einen Verzicht im Sinne des § 397 Abs. 1 BGB zum Erlöschen gebracht. Denn nach § 13 Abs. 1 S. 3 Bundesurlaubsgesetz kann abgesehen von § 7 Abs. 2 S. 2 Bundesurlaubsgesetz von den Bestimmungen dieses Gesetzes nicht zu Ungunsten des Arbeitnehmers abgewichen werden. Das Landesarbeitsgericht stellt fest, dass der Urlaubsanspruch nach §§ 1, 3 BUrlG gemäß § 13 Abs. 1 S. 3 Bundesurlaubsgesetz daher unverzichtbar ist. Der gesetzliche Schutzzweck würde nämlich verfehlt, wenn der Anspruch auf Urlaub oder Urlaubsabgeltung während des Arbeitsverhältnisses durch eine rechtsgeschäftliche Vereinbarung der Arbeitsvertragsparteien ausgeschlossen oder in irgendeiner Form beschränkt werden könnte. Nichts anderes gilt auch dann, wenn das Ende des Arbeitsverhältnisses durch den Abschluss der einschränkenden Vereinbarung bereits verbindlich feststeht.
Diese Entscheidung lässt aufhorchen: Es ist nicht unüblich, dass oftmals Vergleiche vor den Arbeitsgerichten geschlossen werden, wonach Urlaub in natura genommen worden sei, obwohl dieser tatsächlich beispielsweise durch Arbeitsunfähigkeit oder Freistellung, nicht angetreten wurde.
Es gilt daher ein besonderes Augenmerk auf das Risiko einer doch drohenden Urlaubsabgeltung auf Seiten des Arbeitgebers zu legen. Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts hierzu dürfte nicht anders ausfallen als bereits das Landesarbeitsgericht Köln entschieden hat.