Dauerbrenner: Steuernde Ausschlagung

– hilfreiches Gestaltungsmittel mit Gefahrenpotenzial

Nicht selten kommt es vor, dass eine von Ehegatten gewählte erbrechtliche Gestaltung nach Eintritt des ersten Erbfalls als nicht glücklich, ungünstig bewertet wird.

Mit einer solchen Situation hatte sich das Oberlandesgericht Brandenburg zu beschäftigen (Beschluss vom 14.02.2023, 3 W 60/22).

Dem lag folgender Sachverhalt zu Grunde:

In einem (klassischen) Ehegattentestament hatten sich Eltern wechselseitig zu Erben eingesetzt und zum Schlusserben ihren Sohn bestimmt. Nach dem Tod der erstversterbenden Ehefrau reichte der Ehemann das gemeinschaftliche Testament im Original beim Nachlassgericht ein, erklärte die Ausschlagung der ihm angefallenen testamentarischen Erbfolge sowie die Annahme des gesetzlichen Erbes. Kurz darauf beantragte der Ehemann die Erteilung eines Erbscheins, wonach er allerdings Alleinerbe sei, dabei berief er sich auf eine angeblich unwirksame Ausschlagungserklärung.

Dem ist der Sohn entgegengetreten mit der Begründung, die Ausschlagung des Erbes durch den Vater sei wirksam, damit sei er Alleinerbe der Erblasserin geworden. Zwar habe das Testament nur die Erklärung beinhaltet, wonach er Schlusserbe sei, dies umfasse aber auch seine Einsetzung als „Ersatzerbe“.

Durch die Ausschlagung sei sein Vater weggefallen, an dessen Stelle träte er, der Sohn ersatzweise.

Das Oberlandesgericht hat die Auffassung des Sohnes bestätigt: Der Ehemann habe seine testamentarische Erbeinsetzung ausgeschlagen, auch wenn er die oben erwähnte „Einschränkung“ erklärt hatte. Weil die Erbfolge umfassend durch das Testament geregelt sei träte gerade keine gesetzliche Erbfolge ein, wie das Oberlandesgericht zurecht feststellt. Das OLG hat auch die Streitfrage geklärt, welche Rechtsfolge die Ausschlagung der testamentarischen Erbeinsetzung bei einem gemeinschaftlichen Ehegattentestament hat.

Es hat der vom Vater vertretenen Auffassung eine Absage erteilt, wonach die Ausschlagung der testamentarischen Erbfolge und die Annahme des gesetzlichen Erbes wirksam sei. Denn in der Schlusserbeneinsetzung des Sohnes ist nach Auffassung des Oberlandesgerichts eine stillschweigende, konkludente Ersatzerbeneinsetzung des Sohnes zu sehen.

Bei der bindenden Schlusserbeneinsetzung führt die ergänzende Auslegung der letztwilligen Verfügung dazu, dass mit der Einsetzung des Sohnes als Schlusserbe zugleich die Einsetzung des Sohnes als Ersatzerbe für den ersten Erbfall gewollt ist. Daher wollen die verfügenden Eltern in aller Regel, dass nach der von Ihnen beabsichtigten und in Testament zugrunde gelegten Nachlassplanung das Vermögens des Erstversterbenden auf jeden Fall an den Schlusserben fällt, auch bei einer Ausschlagung des Längerlebenden. Das wäre aber nicht gewährleistet, wenn der länger lebende Ehegatte sich über eine Ausschlagung von der Bindungswirkung des gemeinschaftlichen Testamentes lösen und gemeinsam mit dem oder den Schlusserben gesetzlicher Erbe würde.

Die Auffassung des Oberlandesgerichts entspricht auch § 2097 BGB: Nach dieser Vorschrift ist derjenige, der Ersatzerbe sein soll für den Fall, dass jemand nicht Erbe sein kann, im Zweifel auch für den Fall eingesetzt, dass der zuerst benannte nicht Erbe sein will.

Daher ist in der Bestimmung der Schlusserben in einem Berliner Testament auch eine Ersatzerbenbestimmung beider Ehegatten zu sehen.

Zur Vermeidung von Unklarheiten empfiehlt es sich, in einem Testament (möglichst zur Meidung von Auslegungsproblemen notariell zu errichten) neben der Erklärung, wonach die Kinder Schlusserben sind auch explizit mit aufgenommen wird, dass sie als Ersatzerben gelten.

Der Fall zeigt erneut, dass man die sensible, kritische und schwierige Frage einer Testamentsformulierung nicht Laien überlassen sollte, sondern eine individuelle, juristisch korrekte und belastbare Formulierung durch einen Notar unverzichtbar ist.

Vollmer

Rechtsanwalt, Fachanwalt und Notar