Erbnachweis auch ohne Testament möglich

Nicht selten wird darüber gestritten, ob ein vom Erblasser errichtetes privatschriftliches Testament, das nicht mehr auffindbar ist, für die Regelung der Erbfolge maßgeblich ist oder nicht. Ist ein Testament unstreitig erstellt aber nicht mehr auffindbar wird z.B. darüber gestritten, ob das Testament vom Erblasser beispielsweise durch Vernichtung widerrufen wurde.

Das Amtsgericht Hameln hat hierzu in einem aktuellen Beschluss in Übereinstimmung mit der obergerichtlichen Rechtsprechung hohe Hürden gesetzt (Beschluss Amtsgericht Hameln vom 24.02.2022, Az. 18 VI 135/21).

Das Amtsgericht Hameln hat ausdrücklich bestätigt, dass für die Ausstellung eines Erbscheins nach testamentarischer Erbfolge nicht erforderlich ist, dass das Testament als körperliche Urkunde vorliegt! Es genügt vielmehr, dass das Nachlassgericht zur sicheren Überzeugung gelangt, dass der Erblasser ein formgültiges Testament erstellt hat. Der Vortrag, dass ein formwirksames Testament wirksam vom Erblasser widerrufen wurde muss von demjenigen bewiesen werden, der sich auf die Unwirksamkeit des Testaments beruft!

Im zugrundeliegenden Fall war unstreitig, dass die Erblasserin 2017 handschriftlich ein Testament erstellt und unterschrieben hatte, mit welchem Sie die Antragstellerin als Alleinerbin eingesetzt hatte.

Das Testament habe laut Vorbringen der Antragstellerin im Erbscheinsverfahren die Erblasserin in einem Umschlag verwahrt, den sie zusätzlich mit einem „Blümchenaufkleber“ verschlossen hatte.

Das Testament habe der Lebenspartner der Antragstellerin in einem größeren Umschlag zusammen mit einem Anschreiben beim Amtsgericht Hameln eingeworfen, wo jedoch nur das Anschreiben, nicht aber das Testament angekommen sei.

 

Die Antragsgegnerin ist dem entgegengetreten und hat den Vortrag bestritten sowie behauptet, das Testament sei in jedem Fall vernichtet bzw. sonst widerrufen worden.

Nach Beweisaufnahme hat das Amtsgericht festgestellt, dass ein formgültiges Testament errichtet wurde und bei dem Amtsgericht Hameln eingereicht wurde wobei zu vermuten sei, dass das Testament bei der Postöffnung im großen Umschlag verblieben und zusammen mit diesem entsorgt worden sei.

Ausdrücklich betont das Amtsgericht, dass die Antragsgegnerin den Beweis eines Widerrufs nicht geführt habe wobei bemerkenswert war, dass nach deren eigenen bekunden seit 2013 ihrerseits kein Kontakt mehr zu Erblasserin bestand.

Für die Praxis ist diese Entscheidung durchaus beachtlich: Nicht selten errichten Erblasser noch immer privatschriftliche Testamente, die im Erbfall nicht mehr aufgefunden werden. Kann nun bewiesen werden (bestmöglich durch Vorlage einer Kopie), dass und mit welchem Inhalt das Testament existierte, obliegt der Beweis des Widerrufs des Testaments denjenigen, die sich auf den Widerruf und sich eine daraus zu ihren Gunsten vermeintlich ergebende positive Rechtsfolge berufen.

Vollmer

Fachanwalt für Erbrecht und Notar