Endlich: Das selbständige Beweisverfahren hemmt die Verjährung aller Mängel des Verfahrens einheitlich
(nach BGH, Urt. v. 22.06.2023, Az. VII ZR 881/21)
Der BGH hat mit seinem Urteil vom 22.06.2023 (Az. VII ZR 881/21) erfreulicherweise seine bisherige Rechtsprechung aufgegeben, wonach für im selbständigen Beweisverfahren behandelte (unterschiedliche) Mängel die Verfahrensbeendigung und somit der Weiterlauf der Verjährungsfrist unterschiedlich zu beurteilen waren. Diese bisherige Rechtsprechung hat nicht selten zu Fehlern bei der Einschätzung des Ablaufs der Verjährungsfrist geführt.
Was steckt dahinter:
Mit Abnahme des Gewerks beginnt grundsätzlich die Verjährungsfrist für Mängelansprüche zu laufen. Der Lauf der Verjährung kann nach den Regelungen im BGB u.a. durch die Einleitung eines gerichtlichen, selbständigen Beweisverfahrens gehemmt werden. Ist das Verfahren beendet, so wirkt die Hemmung noch sechs Monate nach, dann läuft die Verjährungsfrist jedoch weiter.
Nach der bisherigen Rechtsprechung war der Zeitpunkt der Verfahrensbeendigung letztlich für jeden einzelnen Mangel gesondert zu beurteilen.
Hierzu beispielhaft: Wurde im selbständigen Beweisverfahren ein Mangel am Dach und ein Mangel an der Fassade gerügt und begutachtet, konnte es sein, dass nach Vorliegen des Gutachtens und einer vom Gericht gesetzten Frist für weitere Anträge und Ergänzungsfragen nur noch der behauptete Mangel an der Fassade, nicht jedoch am Dach thematisiert wurde. Dennoch konnte das selbständige Beweisverfahren wegen des Mangels an der Fassade noch viel Zeit in Anspruch nehmen. Für den Mangel am Dach wurde jedoch der Zeitpunkt der Verfahrensbeendigung nach Ablauf der vom Gericht zur Stellungnahme gesetzten Frist zum Gutachten angenommen, da dann nicht mehr über diesen Mangel diskutiert wurde. Die Verjährung konnte somit während des an sich noch laufenden selbständigen Beweisverfahrens plötzlich für den Mangel am Dach wieder zu laufen beginnen. Dies führte gelegentlich dazu, dass dann Verjährung eingetreten war (im Zweifelsfall ein anwaltlicher Fehler) oder aber man noch während des laufenden selbständigen Beweisverfahrens bezüglich des Mangels am Dach schon eine Klage einreichen musste, um die weitere Hemmung der Verjährung zu gewährleisten.
Jetzt rückte der BGH von dieser, die rechtliche Angelegenheit nur verkomplizierenden, Rechtsprechung ab. Der BGH führte in vorbenannter Entscheidung aus: „Ein selbständiges Beweisverfahren ist grundsätzlich mit der sachlichen Erledigung der beantragten Beweissicherung anderweitig beendet im Sinne von § 204 Abs. 2 S. 1 Fall 2 BGB … Erfolgt die Beweiserhebung durch ein schriftliches Sachverständigengutachten, ist dies mit dessen Übersendung an die Parteien der Fall, wenn weder das Gericht nach § 492 Abs. 1, § 411 Abs. 4 S. 2 ZPO eine Frist zur Stellungnahme gesetzt hat noch die Parteien innerhalb eines angemessenen Zeitraums Einwendungen dagegen oder das Gutachten betreffende Anträge und Ergänzungsfragen mitteilten …“
„Entscheidend für die Beurteilung der sachlichen Erledigung ist dabei grundsätzlich das Ende der gesamten Beweisaufnahme. Das gilt unabhängig davon, ob in einem selbständigen Beweisverfahren die Sicherung des Beweises hinsichtlich nur eines Mangels oder mehrerer – auch voneinander unabhängiger – Mängel stattfindet und auch ohne Rücksicht darauf, ob diese durch einen oder mehrere Sachverständige erfolgt. Soweit der Senat mit Urteil vom 03.12.1992 (VII ZR 86/22, BGHZ 120, 329) entschieden hat, dass die Beweissicherung und damit die Unterbrechung der Verjährung bei mehreren, voneinander unabhängigen Mängeln desselben Bauvorhabens mit dem Abschluss der Beweissicherung hinsichtlich eines jeden dieser Mängel ende, auch wenn die verschiedenen Mängel und Sachverständigengutachten Gegenstand nur eines, formal zusammenfassenden Verfahrens geworden sind …., hält er an dieser Auffassung aus den nachfolgenden Gründen nicht mehr fest.“
Diese Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung bringt für die Beurteilung der Verjährung Planungssicherheit der Parteien eines selbständigen Beweisverfahrens. Dennoch bleibt es den Parteien unbenommen, auch frühzeitiger in ein Klageverfahren einzutreten, sollte dies sinnvoll erscheinen.