Unwirksame Vereinbarung zur Abnahme des Gemeinschaftseigentums
(nach LG München I, Urteil vom 13.07.2023, Az 2 O 1924/22)
Erstellt ein Bauträger eine Immobilie mit mehreren Einheiten, so sind die Erwerber nach Erstellung des Gewerks zur Abnahme verpflichtet, wenn dieses im Wesentlichen mangelfrei ist. Nicht nur beim Sondereigentum, sondern ebenso beim Gemeinschaftseigentum ist grundsätzlich jeder einzelne Erwerber zur Abnahme berechtigt und verpflichtet.
Da dies im Zusammenhang mit dem Gemeinschaftseigentum häufig etwas umständlich ist, war in vergangenen Zeiten nicht selten eine Regelung in den Bauträgerverträgen enthalten, wie -mit vereinfachtem Verfahren- die Abnahme des Gemeinschaftseigentums etwa durch einen gemeinsam benannten Sachverständigen zu erfolgen hat. Viele dieser Klauseln werden mittlerweile als unwirksam angesehen.
Im vom LG München I zu entscheidenden Fall war im Bauträgervertrag geregelt: „Die Abnahme des gemeinschaftlichen Eigentums erfolgt für den Käufer in Gegenwart des Verwalters an einen vereidigten Sachverständigen, der vom Käufer ausgewählt und bezahlt wird. Der Käufer beauftragt und bevollmächtigt hiermit unwiderruflich den vereidigten Sachverständigen zur Abnahme des gemeinschaftlichen Eigentums“.
Diese Regelung wurde als eine unangemessene Benachteiligung und somit unwirksam angesehen. Dabei berief sich das LG München I auf die höchstrichterliche Rechtsprechung, wonach eine Regelung über die Abnahme des Gemeinschaftseigentums durch einen vom Bauträger zu benennenden Sachverständigen oder durch einen vom Bauträger bestimmbaren Ersatzverwalter, die Erwerber entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt würde, weil man die Möglichkeit nehme über die Ordnungsmäßigkeit der Werkleistung des Bauträgers selbst zu befinden.
Diese Rechtsprechung gilt als gefestigt, bringt jedoch Folgeprobleme mit sich.
Erst durch die Abnahme wird die (Rest-)Forderung des Bauträgers überhaupt fällig. Durch die Abnahme beginnt zudem die Verjährung für Gewährleistungsansprüche der Erwerber überhaupt erst zu laufen. Bis zur Abnahme stehen dem Erwerber grundsätzlich seine Erfüllungsansprüche aus dem Vertrag zu. Dies bedeutet letztlich, dass Gewährleistungsansprüche für den Erwerber, der noch nicht abgenommen hat, gar nicht verjähren können.
Zwar kann eine Abnahme auch konkludent erfolgen, wenn nach den Umständen des Einzelfalls das Verhalten des Auftraggebers den Schluss rechtfertigt, er billige das Werk als im Wesentlichen vertragsgemäß. Allerdings wird eine solche konkludente Abnahme in der Regel nicht angenommen, wenn bei einer unwirksamen Abnahmeklausel keine zusätzlichen Anhaltspunkte hinzukommen, die ein entsprechendes Erklärungsbewusstsein des Erwerbers erkennen lassen. Selbst die rügelose Nutzung und Zahlung durch die Erwerber lasse regelmäßig nicht auf eine konkludente Abnahmeerklärung schließen. Dies stünde nämlich im Widerspruch zur Rechtsprechung des BGH, wonach in Fällen einer unwirksamen Abnahmeklausel mangels Abnahme die Verjährung hinsichtlich der Gewährleistungsrechte nicht zu laufen begonnen hat. Diese Wertung könne man nicht voreilig dadurch umgehen, in dem man vorschnell eine konkludente Abnahme annehme.
Wenn jedoch keine Abnahme erfolgte und somit die Verjährung der Gewährleistungsansprüche gar nicht beginnen konnte, stellt sich die Frage, wie lange sich in einem solchen Fall der Erwerber noch auf seine Erfüllungs- bzw. Gewährleistungsansprüche berufen kann.
Die Rechtsprechung entwickelt sich immer weiter dahingehend, dass in einem solchen Fall unter Umstände die Ansprüche „verwirkt“ sein können. Dazu sei eine Prüfung im Einzelfall im Rahmen einer Gesamtabwägung nötig.
Ein Recht ist verwirkt, wenn der Berechtigte es längere Zeit nicht geltend gemacht hat und der Verpflichtete sich mit Rücksicht auf das gesamte Verhalten des Berechtigten darauf eingerichtet hat und sich darauf einrichten dürfte, dass dieser das Recht auch in Zukunft nicht mehr geltend machen werde. Es kommt also einerseits auf den Ablauf der Zeit (Zeitmoment) und andererseits auf das konkrete Verhalten (Umstandsmoment) an.
Auf Seiten des Erwerbers kann dabei auch berücksichtigt werden, ob seit Bekanntwerden der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Unwirksamkeit der Abnahmeklauseln bereits ein erheblicher Zeitraum vergangen ist, ohne dass die durch eine professionelle Hausverwaltung begleiteten Erwerber ihre Ansprüche geltend gemacht hätten. Im Fall des LG München I waren seit Übergabe des Gemeinschaftseigentum ca. 20 Jahre vergangen. Dem Bauträger sei zwar vorzuhalten, dass er eine unwirksame Klausel verwendete und dann nach der einschlägigen Rechtsprechung des BGH (schon aus dem Jahre 2013) von einer Nachholung einer wirksamen Abnahme absah.
Andererseits waren seit der Übergabe des Gemeinschaftseigentums bis zu den maßgeblichen Entscheidungen des BGH schon über ein Jahrzehnt vergangen.
Im Fall des LG München I hatten die Eigentümer jedoch schon im Jahre 2005 Kenntnis von etlichen Mängeln und verfolgten zu dem damaligen Zeitpunkt ihre Ansprüche nicht weiter. Daraus schloss das Gericht, der Bauträger hätte sich darauf verlassen dürfen, dass die Erwerber nicht dann erst weitere ca. 15 Jahre später Ansprüche geltend machen würden. Dieses Verhalten wäre treuwidrig, weshalb etwaige Ansprüche verwirkt wären.
Wahrscheinlich gibt es mehr Fälle als bekannt, in denen wegen unwirksamer Abnahmeklauseln im Zusammenhang mit dem Gemeinschaftseigentum de facto eine wirksame Abnahme durch alle Erwerber gar nicht stattfand. Ob man deshalb jedoch noch weit über 5 Jahre nach Übergabe des Gemeinschaftseigentums hinaus Ansprüche geltend machen kann, ist eine -wie die hier erwähnte Rechtsprechung zeigt- komplexe Prüfung. Im Rahmen der Gesamtwürdigung ist sicherlich der Beurteilungsspielraum für die Gerichte recht weitreichend.
Rechtsanwalt und Fachanwalt